Orte ans Licht bringen

Gehen, wahrnehmen, begreifen

 

»Fotografierend erkunde ich die Gegend und bewege mich zu Fuß oder mit dem Rad neugierig entlang der Baudenkmäler von Nord nach Süd. Straßenzüge, Industriegebiete, Wohnsiedlungen und Brachen liegen auf meinem Weg. Mich interessiert das südliche Berlin, ein Teil des Bezirks Tempelhof-Schöneberg, den ich wenig kenne und dessen Stadtteile selten im Fokus des innerstädtischen Interesses liegen: Tempelhof, Mariendorf und Marienfelde. Bis heute, zumindest in meinen Augen, kulturell »unterbelichtet«, durchschnitten von S-Bahnring, Stadtautobahn und Teltowkanal führen diese Orte ein Schattendasein. Der Bau des Teltowkanals 1906 ermöglichte der schnell wachsenden Stadt Berlin sich nach Süden auszuweiten.  
Die Bauwerke und deren Vergangenheit, auf die ich stoße, erstaunen mich. Ich werde in den Strudel der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts hineingezogen. Viele Orte erinnern an die Unmenschlichkeiten der nationalsozialistischen Herrschaft, sie erzählen mir von unfassbarem Größenwahn, von Ausbeutung und Ungerechtigkeit. Ich erfahre von Menschen, denen schreckliches Leid zugefügt wurde. Selbst auf einem Vergnügungsort wie der Trabrennbahn in Mariendorf lasten die Schatten der Vergangenheit. Ich fühle mich an den heutigen Schauplätzen selten wohl, vielmals empfinde ich eine Rauheit und bedrückende Schwere. Üble Gerüche, die aus den Kanaldeckeln von Zeit zu Zeit aufsteigen, wirken auf mich wie Mahnungen. 
Mit dem Blick durch die Kamera nähere ich mich den Bauwerken, halte Ausschnitte fest, bin emotional beteiligt. Ein Wechsel zwischen Fotografieren vor Ort und Recherchieren in Bibliotheken und im Internet beginnt – ich suche in der Vergangenheit. Mit diesem Prozess eigne ich mir Wissen an und bringe Berliner Orte ans Licht.«
(M. B.) 

 

Buch mit Texten von Carolin Förster, Michaela Booth und Ingo Schulze 
88 Fotografien von Michaela Booth 
Schweizer Klappenbroschur, Format 21 x 29,7 cm, 198 Seiten 
Texte deutsch und englisch 
Wasmuth Verlag, 2025 
ISBN 9 783803 034267

 

Ausstellung in Berlin im Museum Tempelhof bis 10. Mai 2026:

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